Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.05.2007
Aktenzeichen: 1 W 361/06
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 103
ZPO § 104
ZPO § 240
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 85
InsO § 89
InsO § 105
InsO § 208
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 210
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 361/06

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 15. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking und die Richter am Kammergericht Müller und Dr. Müther in der Sitzung am 15. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat den Beklagten die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten nach einem Wert von bis zu 15.000 EUR zu erstatten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die frühere Klägerin Snnn Wnnnn hat die Beklagten auf Zahlung von 1.048.873,21 DM in Anspruch genommen. Mit dem am 18. Juni 2001 verkündeten Urteil des Landgerichts Berlin ist der Klage zu einem geringen Teil stattgegeben worden. Hiergegen haben beide Seiten Berufung eingelegt. Der Rechtsstreit ist dann mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der früheren Klägerin am 11. März 2002 unterbrochen worden. Nachdem der zunächst gestellte Prozesskostenhilfeantrag des Insolvenzverwalters und jetzigen Klägers erfolglos geblieben ist, hat dieser mit Schriftsatz vom 27. August 2003 die Aufnahme des Rechtsstreits unter seinem Eintritt als Partei erklärt. Aufgrund entsprechender Erklärungen des Klägers im Termin vom 1. Juni 2006 hat das Kammergericht am gleichen Tag ein Verzichtsurteil verkündet und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Anträgen vom 16. Juni 2006 haben die Beklagten die Festsetzung der Kosten ihres Prozessbevollmächtigten für die erste und zweite Instanz beantragt. Gegen den diese Kosten antragsgemäß festsetzenden Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. August 2006 hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Mit Schreiben vom 3. Januar 2007 hat der Kläger die Unzulänglichkeit der Masse zur Erfüllung der Altmasseverbindlichkeiten beim Insolvenzgericht angezeigt. Die Beklagten haben daraufhin ihren Antrag hilfsweise auf die Feststellung der Erstattungspflicht der geltend gemachten Kosten umgestellt.

B.

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. August 2006 ist nach den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, insbesondere ist sie innerhalb der Frist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt worden. Über das Rechtsmittel hat aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 21. Februar 2007 der Senat in der nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung zu entscheiden.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtspflegerin hat zu Recht nicht nur die nach der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Kläger mit dem Schriftsatz vom 27. August 2003 entstandenen Kosten, sondern auch die Kosten der ersten Instanz und die aufgrund der noch durch die Gemeinschuldnerin erfolgten Berufungseinlegung vom 2. August 2001 und der Begründung der Berufung durch den Schriftsatz vom 16. Oktober 2001 bei den Beklagten entstandenen Kosten, wie die Prozessgebühr ihres Prozessbevollmächtigten, als im Kostenfestsetzungsverfahren festsetzungsfähig angesehen.

Dem steht weder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der früheren Klägerin entgegen noch die Tatsache, dass der Kläger als bestellter Insolvenzverwalter am 14. April 2003 gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte.

a) Allerdings führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nur dazu, dass das Prozessverfahren unterbrochen wird (§ 240 ZPO), sondern auch dazu, dass eine Vollstreckung aus bereits vorhandenen Vollstreckungstiteln, wie hier aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss erster Instanz vom 11. September 2001 unzulässig wird, § 89 InsO. In der Folge kommt lediglich noch eine Festsetzung der Kosten zur Insolvenztabelle in Betracht. Entsprechendes gilt dann, wenn der Insolvenzverwalter nach § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit anzeigt. Erfolgt die Anzeige der Masseunzulänglichkeit , so besteht nach § 210 InsO ein Vollstreckungsverbot selbst für die Forderungen, die als Masseverbindlichkeiten anzusehen sind, die also aus Handlungen des Insolvenzverwalters herrühren, die dieser nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Rechtsstreit aufgenommen mit der Folge, dass von der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts nicht nur die nachfolgend entstandenen, sondern die gesamten Kosten des Rechtsstreits erfasst werden. In diesem Fall ist die gegen den in den Rechtsstreit eingetretenen Kläger begründete Kostenerstattungsforderung in vollem Umfang als sog. Neumasseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Nr. 2 InsO anzusehen (vgl. BAG SAE 1960, 74, 75; OLG München ZIP 2001, 31; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 240 Rn. 22, 24; Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze, § 10 KO Anm. 8; § 59 KO Anm. 1b; BGH ZIP 2006, 2132; OLG Hamm ZIP 1994, 1547; a.A. Kübler/Prütting/Lüke, § 85 Rn. 58f.; Uhlenbrock/Uhlenbrock, InsO, 12. Aufl., § 85 Rn. 51; vgl. auch die weiteren Nachweise in BFH ZIP 2002, 2225). Soweit teilweise eine andere Auffassung vertreten wird, bezieht sich dies auf die Frage, ob im Rahmen der Kostengrund-entscheidung eine Differenzierung zwischen den vor der Insolvenzeröffnung und den nach der Aufnahme durch den Insolvenzverwalter entstandenen Kosten vorzunehmen ist (so etwa Uhlenbrock/Uhlenbrock, a.a.O.).

Darauf kommt es hier aber nicht an, weil die der Kostenfestsetzung zugrunde liegende und den Kostenbeamten bindende Kostengrundentscheidung keine Einschränkungen enthält (vgl. BGH ZIP 2006, 2132; OLG Hamm ZIP 1994, 1547; Rpfleger 1990, 1482, 1483; Münchener Komm-InsO/Schumacher, § 85 Rn. 19; aA wohl BFH ZIP 2002, 2225). Die weiter von dem Kläger im Hinblick auf § 105 InsO geltend gemachten Bedenken spielen aus diesem Grund keine Rolle.

2. Die Erstattungspflicht des Klägers als Insolvenzverwalter ist auch nicht lediglich festzustellen, wofür allerdings ein Feststellungsinteresse gegeben wäre, weil der Kläger bereits die Höhe der Kostenerstattungspflicht angegriffen hat (vgl. dazu BGH Rpfleger 2005, 382, 383). Der Kläger hat zwar gegenüber dem Insolvenzgericht mit dem Schreiben vom 3. Januar 2007 erneut Masseunzulänglichkeit angezeigt. Diese Anzeige lässt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungstitel aber nicht entfallen.

Zeigt der Insolvenzverwalter nach einer bereits erfolgten Anzeige der Masseunzulänglichkeit an, dass die Insolvenzmasse auch nicht zur vollen Befriedigung aller Neumassegläubiger ausreicht, ist nur dann, wenn er die Unzulänglichkeit im Einzelnen darlegt und erforderlichenfalls beweist, wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses - bei fortbestehendem Feststellungsinteresse - nur noch die Feststellung einer Zahlungsverpflichtung möglich (vgl. BGHZ 154, 358 = NJW 2003, 2454 = Rpfleger 2003, 461; BAG ZIP 2003, 1850; Kübler/Prütting, Insolvenzordnung, Stand November 2006, § 208 Rn. 37). Dies folgt daraus, dass auch die Neumassegläubiger nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gleichrangig neben einander stehen und eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger unterbleiben soll. Fehlt es an einer solchen Darlegung muss es bei dem Ausspruch der Leistungspflicht verbleiben; der Insolvenzverwalter kann dann im Verfahren nach § 767 ZPO gegen den Vollstreckungstitel vorgehen (vgl. BAG ZIP 1986, 1338; Münchener Kommentar/Hefermehl, InsO, § 208 Rn. 60).

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat zwar die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Eine vorrangige Befriedigung der Beklagten gegenüber anderen gleichrangigen Gläubigern ist aber - unabhängig von der Frage, ob der Kläger mit seinem Vortrag aus dem Schriftsatz vom 5. Januar 2007 eine Unzulänglichkeit der Masse angesichts des zulässigen Bestreitens der Beklagten mit Nichtwissen ausreichend glaubhaft gemacht hat - hier nicht zu befürchten. Nach den Ausführungen des Klägers sind die Beklagten die einzigen Neumassegläubiger nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Soweit durch die Titulierung die Gefahr besteht, dass die Beklagten in die noch vorhandene Masse vollstrecken, die zur Deckung der vorrangigen noch nicht abschließend feststehenden Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO) benötigt wird, handelt es sich - anders als bei dem Einwand des Vollstreckungsverbotes nach § 210 InsO - um einen materiell-rechtlichen Einwand, der im Kostenfestsetzungsverfahren jedenfalls dann, wenn er in seinen Voraussetzungen und Auswirkungen streitig ist, nicht berücksichtigt werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gebührenstreitwert ergibt sich aus den Kosten erster Instanz zuzüglich der Prozessgebühr für die Berufungsinstanz, die nach Auffassung des Klägers gegen ihn nicht festsetzbar ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Ob trotz einheitlicher Kostenentscheidung die vor der Insolvenzeröffnung angefallenen Prozesskosten gegen den Insolvenzverwalter festgesetzt werden können, wird in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet (vgl. BGH ZIP 2006, 2132; BFH ZIP 2002, 2225).



Ende der Entscheidung

Zurück